»»» go to hoppsala.de
»»» go HOME
»»» Copyright
»»» Impressum








Kunstschätze in den Bauerndomen

Wenn die Altenbrucher und Lüdingworther nicht gerade regelmäßige Kirchgänger sind, wissen sie wohl weniger um die Schätze in ihren Gotteshäusern - im Gegensatz zu den Gästen. Die kommen teilweise von weit her, um die Kostbarkeiten in den Kirchen beider Orte zu bewundern. Und wer die Kunstschätze bestaunt, kann auch einiges über Kirche, Land und Leute lernen.
Von außen sieht "St. Jacobi", die romantische Feldsteinkirche mit Westturm, die mitten im Ort auf einer Wurt steht - woher Lüdingworth übrigens seinen Namen hat - eher unauffällig aus, so wie viele Dorfkirchen. Die äußere Fassade, deren älteste Teile um 1200 erbaut wurden, lässt nicht ohne weiteres auf die Kunstschätze schließen, die im Inneren des Gotteshauses verborgen sind.

Bäuerliche Kirchenkunst
Das Innere ist als ein Musterbeispiel bäuerlicher Kirchenkunst des 17./18. Jahrhunderts und zugleich ein Zeugnis der damaligen Spendenfreudigkeit anzusehen. Von April bis Oktober kann die Kirche täglich von 9 bis 17 Uhr besichtigt werden, Führungen müssen beim Küster, Manfred Witt, angemeldet werden. "In der Sommerzeit", so schätzt Witt, "kommen über 100 Leute pro Woche, nur um die Kirchenschätze zu sehen." Bei einem Rundgang durch die Kirche zeigt Witt ihnen die Lüdingworther Kunstschätze.
Ein Blickfang: Der Flügelaltar. Zwischen dem Lüdigworther Westerende und Köstersweg lag im Mittelalter die Siedlung Lüderskoop, die eine Heilig-Geist-Kapelle besaß, aus der der Altar stammen soll. Die aus Lindenholz geschnitzten Gruppen zeigen die Darstellungen: Mariä Verlobung, Empfägnis, Heimsuchung, Geburt Christi, Darstellung Christi im Tempel sowie die Heilligen Drei Könige. Die Rückseiten der Flügel sind um 1620 mit figurenreichen Darstellungen bemalt wurden. Die damaligen Kirchgänger in Lüdingworth hatten sogenannte "Stuhlrechte" und bis Anfang dieses Jahrhunderts saßen die Männer und Frauen getrennt. Das hat sich geändert. Nur noch einer hat bis heute einen "Stammplatz": der Küster.
Eine interessante Geschichte hat auch der Taufkessel. Früher wurden er bei jeder Taufe mit wasser gefüllt, das auf der Feuerstelle aus Backstein erwärmt wurde. Die Täuflinge wurden ganz in den Kessel gesetzt. Seitlich befindet sich sogar ein Handtuchhalter.

Der Taufkessel und sein Engel
Der Taufkesseldeckel hatte bis vor etwa 40 Jahren eine Verbindung zum Posaunenengel, der seinerzeit noch vor dem Triumphkreuz am Choreingang hing. Der Engel ist aus Holz geschnitzt und misst von Flügelspitze zu Flügelspitze etwa zwei Meter.
Es ist eine arbeit von Jürgen Heitmann, die zwischen 1660 und 1670 entstand. Hob sich der Aufsatz des Taufkessels, bewegte sich der Engel und die Gottesdienstbesucher, die die Taufstelle nicht sehen konnten, wussten, dass die Taufe vollzogen wurde. Heute hängt der Engel an der Nordseite vor dem Orgelprospekt.
Die Orgel an der Westempore wurde 1598 von Antonius Wilde erbaut. 1682/83 von Arp Schnitger umgearbeitet und mit einem Rückpositiv versehen. 1998 feiert sie ihren 400. Geburtstag.

Schleiereulen mit Nachwuchs
Die Kirche bietet jedoch auch ganz andere Überraschungen: Vor etwa drei Monaten brachte eine Schleiereule hier drei Junge zur Welt. Diese leben jetzt im Kurpark döse. Außerdem nisteten Turmfalken und Tauben in den Turmlöchern und Fledermäuse gibt es zu Hauff. Eine verirrte sich letzten Sommer während eines Gottesdienstes in die Kirche und flog direkt auf den ehemaligen Pastor Egon Wille zu, der gerade von der Kanzel predigte. Szenenwechsel. - Vor der Ev.-lutherischen St.-Nicolai-Kirche in Altenbruch, die ihre prunkvolle Ausstattung dem Wohlstand der Altenbrucher Bauern im 17. Und 18. Jahrhundert zu verdanken hat und im Volksmund deshalb "Bauerndom" genannt wird, steht der Besucher morgens vor verschlossenen Türen. Erst um 14 Uhr werden die Pforten geöffnet. Damit die Besucher die Schätze des Gotteshauses mit den beide Türmen "Anna" und "Beate" nicht nur bewundern, sondern auch etwas über sie erfahren können, hat die Altenbrucher Kirchengemeinde den sogenannten Kirchenwächterdienst eingeführt.

Erläuterungen für die Besucher
16 Gemeindemitglieder, überwiegend die ältere Generation, sorgen von Mai bis September dafür, dass die Besucher zu den Öffnungszeiten (14-17 Uhr) begrüßt und geführt werden. Einer der 16 Ehrenamtlichen ist seit 1991 de r63jährige Heinrich Steffens. Er sah in dieser Aufgabe, für deren Ausführung er diverse Bücher lesen musste, eine neue Herausforderung mit nützlichem Nebeneffekt: "Jogging für das Gehirn". Dass er seine Aufgabe sehr ernst nimmt, erfahren die Besucher schnell. Steht einer mit dem Fotoapparat vor einem der vierzehn Votivgemälde (zumeist Öl auf Leinen), die an den Längswänden des Schiffes und Chores hängen, so schallt irgendwo aus dem Gebäude eine laute Stimme: "Nicht fotografieren, die Ölgemälde bitte nicht fotografieren." Etwas leiser, aber bestimmt erklärt der Kirchenwächter, dass die alten Gemälde, die zumeist von Samuel Becker stammen, der zur Zeit des 30jährigen Krieges 1618-1648 künstlerisch tätig war, durch Blitzlichter zerstört werden können.

500 Jahre alte Orgel
Mehr Erklärungen gibt es während einer Führung. Wie unsere Vorfahren lebten, welchen Stand die Kirche in der Gesellschaft und die Frauen innerhalb der Kirche hatten und auch die Baugeschichte kann Heinrich Steffens fesselnd erzählen. Besonders stolz sind die Altenbrucher auf die fast 500 Jahre alte Klappmeyer-Orgel, so dass darüber schon mal ein paar Worte mehr fallen. Nicht als kleine Werbung, denn für die anstehende Restaurierung werden über eine Million Mark benötigt.

Gefängnis befand sich in der Kirche
Bei Steffens Erzählungen über das alte Gefängnis, das sich im 17. Jahrhundert im Eingangsbereich unter dem Turm befand und seine Platz heute links neben dem Altar hat, spitzen sich die Lauscher der jüngeren Kirchentouristen. "Damals wurde in der Kirche Recht gesprochen", weiß Heinrich Steffens, "und die Verurteilten gleich vor Ort im Gotteshaus eingesperrt. Bis zu sieben Mann mussten sich die kleine hölzerne Zelle teilen." Besonders große Augen machen die Zuhörer dann, wenn er hinzufügt, dass die Gefangenen von sage und schreibe fünf Wächtern bewacht wurden. Ein Schmuckstück ist auch das Altarwerk mit dem aus Eichenholz geschnitzten Flügelaltar auf einem aus Backstein gemauerten, verputzten Stippes, das um 1500 gefertigt wurde.

Kleiner Tipp: Selbst einmal umsehen
Das Mittelfeld nimmt eine figurenreiche Kreuzigung ein. Die Flügel sind zweigeschossig gearbeitet. Um den Besuchern eine bessere Übersicht über das Kircheninnere zu verschaffen, spielt Steffens gerne "Bauer" mit ihnen. Die Bauern saßen früher in den Hochständen rechts neben der Kanzel, die Seefahrer links. Das war insofern praktisch, als die Bauern den Gottesdienst auch mal verlassen konnten, um sich um die Pferde oder anderes zu kümmern, ohne dabei die anderen zu stören.
Wer neugierig geworden ist, kann den Kirchen ja selbst einmal einen Besuch abstatten.

Cuxhaven Journal, September 1996

Seitenanfang