»»» go to hoppsala.de
»»» go HOME
»»» Copyright
»»» Impressum








Hossa! Sturm auf Papas Plattenkiste - Der Kult um den Schlager/ Karel Gott in Clubs und Kellern

"Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii, ging nie durch San Francisco in zerrissenen Jeans ..." In einer ohrenbetäubenden Lautstärke werden sie mitgegrölt, die alten Schlager von Udo Jürgens, Roland Kaiser, Howard Carpendale & Co. Dieter Thomas Heck´ s "Hitparade" würde heute Millionen vor den Bildschirm locken, und zwar nicht nur die ältere Generation. Viele junge Leute bekennen sich mittlerweile zum guten deutschen Schlager und Omas Plattenkiste ist vor den Klauen der Enkelkinder nicht mehr sicher. Im Odeon fand am vergangenen Mittwoch eine Party statt, auf der ausschließlich die alten Kamellen abgedudelt wurden. Wie ist dieser Sinneswandel zu erklären? "Schlager haben noch ´was mit Musik zu tun, da gibt es noch Melodien und richtige Texte" findet der 20jährige Vasco, der seit ein paar Jahren voll und ganz hinter der Musik steht. Auch Jan und Klaus sind zwei von vielen, die sich offen zum Schlager bekennen. "Ein neuer Kult", finden die beiden, "auf Parties geht mit so´ner Mucke richtig was ab." Und das war auch im Odeon zu sehen: Trotz gepfefferter Eintritts- und Bierpreise war der Laden gerammelt voll. Es ist schwer vorstellbar, dass "mit 66 Jahren" die Verrenkungen ausgelassener sind als bei Hardrock und Heavy Metal. Endlich war man mal "unter sich" und konnte aus vollem Hals mitgrölen. Die Texte kennt ja eh jeder!
DJ und Moderator der Schlagerparty, Adam Riese, selbst ein eingefleischter Fan deutscher Musik, war hocherfreut, dass diese Premiere so erfolgreich ablief. Bereits vor einigen Jahren gab es im Odeon sogenannte "Bad taste" - Parties, bei denen die alten Kamellen gespielt wurden: Schließlich waren Schlager unter diesem Motto ja legitim. "Allerdings," so Adam Riese, "konnte ich die Scheiben erst zu fortgeschrittener Stunde auflegen. Je mehr Bier, desto geringer die Hemmschwelle!" Schwingo Fundenberg, der seinerzeit mit Adam Riese und Bodo Österling durch die "Bad taste"-Parties geführt hat, meinte zu dem Erfolg des Schlagerabends: "Ein Traum wird war!"
Aber nicht nur auf öffentlichem Boden werden die Evergreens gefeiert, auch in privaten Sphären stoßen Henry Valentino und "sein schönes Mädchen" auf helle Begeisterung. Die Clique der "Hackfressen" lässt es sich nicht nehmen, in unbestimmter Regelmäßigkeit Privatsessions abzuhalten. Dort, auf der "Fiesta Mexikana", wird nicht nur "Samba getanzt" sondern auch "griechischer Wein" getrunken, und das solange bis "Marmor, Stein und Eisen bricht".
Sollte der einst so verschmähte deutsche Schlager tatsächlich eine ernstzunehmende Gefahr für Hip-Hop und Dancefloor sein? Den Schlagerfans ist dies egal. Sie werden auch weiterhin nach dem Motto von Karel Gott und Anita verfahren: "Schön ist es auf der Welt zu sein!"

Westfälische Nachrichten, 9. Oktober 1996

Seitenanfang